Geschichte der Fischerteppiche
Weimarer Republik
Im Jahr 1928 wurde in der südlichen Ostsee ein dreijähriges Fischfangverbot verhängt, damit sich die dezimierten Fischbestände erholen konnten. Um die Fischer vor drohender Arbeitslosigkeit und Armut zu bewahren, kam der Greifswalder Landrat Werner Kogge auf die Idee, die Fischer Teppiche knüpfen zu lassen. Er ließ sich dabei von dem Gedanken leiten, dass die Fischer durch das Knüpfen und Flicken ihrer Fischernetze und Reusen über das hierzu nötige Geschick verfügten.
Auf eine überregionale Zeitungsanzeige, in der ein erfahrener Anleiter für die künftigen Teppichknüpfer gesucht wurde, meldete sich der österreichische Textilfachmann Rudolf Stundl. Dessen Ernennung zum Beauftragten zur Gründung einer Teppichknüpferei in Vorpommern erwies sich als wahrer Glücksfall. Rudolf Stundl war im handwerklichen Umgang mit Web- und Knüpftechniken ausgebildet und hatte bereits 1922 in Zagreb Erfahrungen im Restaurieren von orientalischen Teppichen sammeln können. Er entwickelte spezielle Webstühle, die in den niedrigen Fischerkaten Platz fanden, und ließ diese nach seinen Plänen von Tischlern der Region anfertigen.
Da die Teppichproduktion in Heimarbeit erfolgen sollte, gründete man als gemeinsames Dach aller Teppichknüpfer die Pommersche Fischer Teppich Heimknüpferei mit Sitz in Greifswald. Rudolf Stundl übernahm die Schulung und Betreuung von anfänglich 52 Teppichknüpfern (40 in Freest und zwölf in Lubmin). 1930 waren es bereits 58 (42 in Freest, zwölf in Lubmin und vier in Spandowerhagen). Stundl entwarf die Teppichmotive und knüpfte auch die notwendigen Kontakte zum Verkauf der ersten fertigen Fischerteppiche. Schon bald konnten einzelne große Aufträge an Land gezogen werden.
Nationalsozialismus
Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde die pommersche Volkskunst als angeblich uralte nordische Tradition vereinnahmt. Schon bald gehörten NS-Größen wie Alfred Rosenberg, Hermann Göring und angeblich sogar Adolf Hitler zu den Besitzern von Fischerteppichen. Darüber hinaus sind „viele Reichsminister und hohe Staatsbeamte, die größten deutschen Schifffahrtslinien, Museen, Gauleitungen, Fliegerhorste, Professoren und viele andere kunstverständige Personen“ im Besitz von Fischerteppichen gewesen. Motive wie der Vierfisch und andere in Form eines Sonnenrades gehörten nun zum nachgefragten Grundsortiment. Trotzdem kam es in den 1940ern durch kriegsbedingte Kürzungen und Uneinigkeiten mit Stundl, der einige Zeit sogar inhaftiert gewesen war, zum Erliegen der Teppichproduktion.
1945 bis 1990
Erst nach dem Krieg wurde das Kunsthandwerk wieder aufgenommen. Ein erster Beleg hierfür ist ein Ornamentteppich von 1946, der zum Bestand der Universität Greifswald gehört und die Jahreszahl anzeigt. Ein weiteres Zeugnis für den Neuanfang nach dem Krieg ist der Krösliner Altarteppich von 1947. Die Wolle für den Teppich wurde aus Kostengründen mit selbst gesammelten und erzeugten Naturfarben eingefärbt. Die Gesamtkosten trug die Gemeinde aus Spendengeldern. Der Altarteppich zeigt Jesus am Kreuz, zu seinen Füßen stehen acht Menschen, deren Gefühlsregung von Ablehnung über Gleichgültigkeit bis hin zur Anbetung reicht. Über dem Christushaupt leuchtet der Dreifisch, Symbol sowohl für die Teppichknüpfer als auch für den dreieinigen Gott. Der Altarteppich hängt heute wie damals in der Christophorus-Kirche Kröslin.
Als eine der ersten Handwerklichen Produktionsgenossenschaften (PGH) in der DDR wurde am 17. Mai 1953 die PGH „Volkskunst an der Ostsee“ gegründet und in den Folgejahren sukzessive auf weitere Standorte wie Wolgast (1961), Lassan (1962), Heringsdorf und Zinnowitz auf Usedom (1964) ausgedehnt. Das Besondere an dieser PGH war die überwiegende Heimarbeit der Mitarbeiter. Im Ackerbürgerstädtchen Lassan befanden sich bis zum Ende der 1980er Jahre die Werkstatt, die Färberei und das Lager der Teppichgenossenschaft. Insgesamt waren rund 20 Frauen dort beschäftigt. Große Auftragsarbeiten waren oft Jubiläumsteppiche wie 1956 zur 500-Jahr-Feier der Universität Greifswald, 1974 zur 700-Jahr-Feier Lassans oder 1987 zur 750-Jahr-Feier Berlins. Auftraggeber waren oft offizielle wie halboffizielle Stellen. Walter Ulbricht und Erich Honecker waren Besitzer von Fischerteppichen. Auch Teppiche mit dem Wappen der DDR Hammer und Zirkel im Ährenkranz oder Auftragsarbeiten für das Ministerium für Staatssicherheit, beispielsweise für das Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ sind belegt.
Nach 1990
Mit den Verwerfungen der Wende und der anschließenden großen wirtschaftlichen Unsicherheit kam am 15. Mai 1992 das Aus für die PGH Ostseekunst. Versuche des ehemaligen Bürgermeisters von Freest, Reinhard Bernau, der die Konkursmasse der PGH erwarb und 1993 ein eigenes Unternehmen gründete, den Anschluss an die Marktwirtschaft zu finden, verliefen im Sande.
Quelle: Wikipedia